Vielleicht waren die zurückliegenden drei Tage des gerade zu Ende gehenden Schuljahres die lehrreichsten im Rahmen unseres bisherigen vierstündigen Physik-Neigungskurses – ein absoluter Höhepunkt war die traditionelle Exkursion ins Forschungszentrum Garching bei München bei strahlendem Sonnenschein und hochsommerlichen Temperaturen auf jeden Fall.

Forschungszentrum Garching

Der Campus rund um das 1958 erbaute „Atomei“ zählt zu den bedeutendsten Wissenschaftsstandorten Deutschlands und beheimatet zahlreiche Institute und Forschungseinrichtungen, in denen sich Doktoranden und Professoren viel Zeit nahmen, unserer Gruppe einen Einblick in ihre Arbeitsbereiche zu verschaffen und die extrem aufwändigen experimentellen Aufbauten ihrer aktuellen Projekte zu präsentieren. Wir durften uns zweieinhalb Tage im wahrsten Sinne des Wortes „am Puls der Zeit“ bewegen.

Im Centre for Advanced Laser Applications führte uns Prof. Dr. Jörg Schreiber in die Teilchenbeschleunigung mit Licht ein. Ultrakurzgepulste Laser im Femtosekundenbereich (das sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitende Laserlicht legt innerhalb einer Femtosekunde lediglich eine Strecke von 0,3 µm zurück) und mit einem Durchmesser von 30 Zentimeter werden verwendet, um Leistungen im Petawattbereich (1 Billiarde Watt) zu realisieren und damit kleinste Teilchen zu beschleunigen. Im eigens für diese Forschung geschaffenen Institut eröffnete uns Prof. Schreiber einmalige Einblicke in die experimentellen Aufbauten und begeisterte uns mit den Visionen, die die Teilchenbeschleunigung revolutionieren und auch in der medizinischen Anwendung völlig neue Möglichkeiten eröffnen könnten.

Teilchenbeschleunigung

Mit dem Tandem Van de Graaff-Beschleuniger im Maier-Leibnitz-Laboratorium (MLL) nahm uns PD Dr. Peter Thirolf mit auf eine Reise in die Anfänge der Teilchenbeschleunigung. Die Anlage, die wir gemeinsam mit ihm besichtigen konnten, weist alle die Komponenten auf, die schon Stoff so mancher theoretischer Übungsaufgabe waren und sich sicherlich auch im Physikabitur wiederfinden werden. Der Besuch am MLL war aber weit mehr als eine Reise in die Vergangenheit, mit seinem aktuellen Forschungsprojekt einer „Kernuhr“ könnte es dem Physiker gelingen, die Genauigkeit der Zeitmessung mit Atomuhren um ein Vielfaches zu verbessern und damit Wissenschaftlern auf der ganzen Welt völlig neue Möglichkeiten zu eröffnen. Sollte es dem Team um Prof. Thirolf dann noch gelingen, den Nachweis dafür zu erbringen, dass Naturkonstanten gar nicht konstant sind, sondern sich weit hinter dem Komma im Laufe der Zeit minimal verändern, haben wir vielleicht sogar mit einem kommenden Nobelpreisträger gesprochen.

Neutronenquelle

Mit der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) hatten wir Zugang zu einer der effektivsten und modernsten Neutronenquellen der Welt. Am eigenen Leib erfahren durften wir dabei die Sicherheitsstandards der Anlage, die sowohl in intensiven Personenkontrollen als auch in extrem aufwändigen baulichen und technischen Maßnahmen zum Ausdruck kamen. Neben der Erzeugung der Neutronenstrahlung durch Spaltung hochangereicherten Urans lag der Fokus der Führung vor allem auf der vielfältigen Anwendung, wie der Dotierung des Halbleitermaterials Silizium (dotierte Halbleiter sind aus PCs und Handys nicht mehr wegzudenken) über die Herstellung von Radioisotopen für die Nuklearmedizin bis hin zur Tumortherapie.

Astrophysik

Mit der Astrophysik stand last but not least ein weiterer Programmpunkt auf der Agenda, der spektakulärer kaum hätte ausfallen können. Im öffentlich zugänglichen Besucherzentrum ESO Supernova machten wir uns in einer interaktiven Ausstellung auf eine Reise, die in München ihren Anfang nahm, uns am Planeten Erde vorbei in unser Sonnensystem führte und selbst bei der Lokalisation des Zentrums unserer Milchstraße noch kein Ende fand. Mit dem Extremely Large Telescope (ELT) plant das European Southern Observatory (ESO) ein Teleskop, das mit einem Spiegeldurchmesser von rund 40 m in der chilenischen Atacama-Wüste für ganz neue Erkenntnisse über unser Universum sorgen soll.

Wir blicken zurück auf zweieinhalb ereignisreiche Exkursionstage, die uns eindrücklich die Vielfalt der Physik vor Augen geführt und uns gezeigt haben, dass Spitzenforschung immer auch einen Blick über den Tellerrand hinaus bedeutet und dass Physiker stets Hand in Hand mit Chemikern, Biologen, Medizinern und Technikern arbeiten. Wenn wir offen und neugierig sind, erschließt sich uns die Faszination und der Spaß an der Naturwissenschaft – inner- und außerhalb der Schule. (Le)